Durch ein Inserat wurde ich im August 2013 auf eine Rennradtruppe aus dem Raum Dortmund aufmerksam, die einen Nachrücker für einen ausgefallenen Mitfahrer suchte. Der Plan: In 6 Tagen durch die Pyrenäen zu radeln. Zeit bis zur Abfahrt: 4 Tage. Also genug Zeit um sich von seinen Lieben zu verabschieden und intensiv auf dieses Vorhaben vorzubereiten.
Zum Glück spielte bei mir alles mit:
• Meine Frau war einverstanden
• Meine Form ganz annehmbar
• Arbeitstechnisch war das auch kurzfristig zu organisieren.
Das einzig ärgerlich war, dass ich meinen Plan bereits im Frühjahr eine leistungsstärkere Actioncam ans Rad zu schrauben verworfen hatte. Für eine Neuanschaffung war nun keine Zeit mehr.
Nach all diesen Entscheidungen ging es drei Tage später los. Ab Dortmund fuhren wir mit 12 Radlern und zwei VW Craftern mit Fahrern los. Nach einer Zwischenübernachtung brachte uns dann der Folgetag nach Bayonne am Atlantik, kurz vor der spanischen Grenze.
Nach Beziehen des Hotels wurden erst mal die Räder fit gemacht und eine kleine Einrollrunde ans Meer machte den Kopf frei von der langen Anreise.
Die Pyrenäen, mit dem Rennrad vom Atlantik zum Mittelmeer
Stand: 01.10.2013
08.09.2013, Bayonne - Pau (106Km, 488Hm)
Diese Etappe war von vorne herein nur als Aklimatisierungsfahrt geplant. Nach 2 Tagen im Auto war das auch keine schlechte Idee. Von Bayonne aus ging es entlang der Gave de Pau zum 1.Etappenziel Pau. Die Fahrt verlief recht ereinigslos. Einige sehr schöne Passagen gaben direkt am Fluss den Blick auf alte Schlösser Preis. Was ich gar nicht wusste: In dieser Gegend werden hauptsächlich lecker schmeckende Kiwis angebaut. Eine besondere Erfahrung machten wir schnell mit den Einheimischen. Auf einer sehr schmalen Strasse, die sich am Fluss entlang zog fuhren von hinten Autos auf unsere Kolonne auf. Obwohl wir Platz machten winkten die Fahrer freundlich lächelnd wir sollten weiter fahren und sie zockelten bei gemächlich dahin rollenden 30Km/h hinter uns her. In Deutschland undenkbar! Bei den dann auch für die folgenden Etappen durch die beiden Crafter-Fahrer organisierten Pausen wurden wir immer hervorragend verpflegt. Die Stimmung war gut und die Vorfreude auf den folgenden Tag mit einem der ersten Highlights der Tour wuchs ständig.
Das Hotel in Pau war recht nett. Wie jeden der folgenden Abende ging es dann gemeinsam in ein Restaurant zum Essen.

09.09.2013, Pau - Bozdamos - Rebenacq - Laruns - Argeles Gazost - Luz-Saint-Sauveur (116Km, 2516Hm)
Nach einem ausgiebigem Frühstück und einer kurzen, flachen Anfahrt begannen die ersten Kletterpartien in die Pyrenäen. Das erste Tagesziel: Col d'Aubisque. Kamen wir noch gemeinsam am Fuss des Aubisque an längte sich unser Peloton schnell und jeder fuhr sein individuelles Tempo. Ich muss zugeben, dass ich sehr verunsichert war, ob und wie ich die gesamte Tour meistern kann. Daher bin ich mehr verhalten in die Anstiege gegangen und habe mich aus der dreiköpfigen Führungstruppe etwas zurück fallen lassen einfach um Körner für die nächsten Tage zu sparen. Der Aufstieg war auch auf Grund des genialen Wetters ein Traum. Ein Mal den Rythmus gefunden kurbelte es sich wunderbar zum Gipfel, das alleine fahren war ich ja gewohnt.
Oben angekommen bot sich eine traumhafte Aussicht, die wir lange geniessen konnten, bis auch der letzte des Pelotons den Gipfel erreicht hatte. Mein Respekt galt dabei einem älteren Pärchen, welches mit einem Tandem mit 24" Bereifung den Anstieg gefahren ist (im Video bei Min 2:23 zu sehen).
Nach einer aussichtsreichen Abfahrt über die leichter zu kletternde Seite des Aubisque folgte noch ein kurzer Anstieg zum Col du Solour. Die folgende, lange Abfahrt bot wirklich viel für das Auge, wie alle bei einer sonnigen Espresso-Pause im etwas rummeligen Argeles-Gazost bestätigten. Schnell erreichten wir dann das Etappenziel Luz-Saint-Sauveur.

10.09.2013, Luz-Saint-Sauveur - Sainte-Marie de Campan - Arreau - Bossost - Vielha (Spanien), (105Km, 3200Hm)
Die Königsetappe der Tour stand unter einem schlechten Stern. Bereits in den Vortagen konnten wir lesen, dass die gleichzeitig stattfindende Spanienrundfahrt im Regen ertrinkt. Für diesen Tag war der Regen für uns angekündigt. Um trocken auf den Tourmalet von seiner schwierigsten Seite her zu kommen, wollten wir also möglichst frühzeitig los. Möglichst früh bedeutete dann kein Frühstück. Zu allem Überfluss stiessen wir dann wenige Minuten nach der Abfahrt auf die Vollsperrung der Strasse, da nach Unwettern Aufräumarbeiten stattfanden. Das kostete uns eine Stunde warten, die Stunde, die uns hinten heraus fehlen sollte. War es im unteren Bereich des Tourmalet noch am nieseln, setzte zur Hälfte der Starkregen ein. Nicht nur das, die Temperatur fiel auch noch bis auf 5-6°. Trotz Regenkleidung waren wir alle schnell durch nass und das Wasser spritzte nur so aus meinen Schuhen. Unterwegs anhalten wäre unmöglich gewesen. Zu schnell ausgekühlt und zu heftige Anstiege hätten ein Anfahren nur schwer möglich gemacht. Und so kam unsere Truppe als erste am Gipfelrestaurant an. Nach mehreren Tassen heissen Kaffee und etwas zu Naschen für den leeren Magen war aber alles wieder ok, der Regen und die Kälte waren schnell vergessen. Es blieb der Stolz trotz widriger Umstände einen Pass der höchsten Kategorie bezwungen zu haben!
Allerdings mussten wir noch eine Kröte schlucken. Die Wettervorhersage und Infos von Fahrern, die über die andere Seite den Tourmalet erreicht hatten brachten uns zu der Einschätzung nach 20Km und 1425Hm die Etappe hier abzubrechen und mit den Autos zum Zielort zu fahren. Die Gefahr eines Unfalls war bei diesen Wetterbedingungen einfach zu hoch.
Was wir da alles verpasst haben blieb uns selbst im Auto verborgen, so sehr regnete es und die Strassen waren in diesen Höhenlagen wolkenverhangen.

11.09.2013, Vielha - Sort (76Km, 1181Hm)
Kaum zu glauben, aber heute lachte wieder die Sonne. Ausgeruht ging es auf die kürzeste Etappe der Tour. Der Nachteil, wenn man alle Etappen fest plant, denn heute sollte der Regenerationstag nach der Königsetappe sein, die ja nun leider ins Wasser gefallen war. So ging es also entspannt nach Sort. Die einzige, nennenswerte Steigung führte uns auf den Port de la Bonaigua. Nach einem unspektakulären Aufstieg folgte allerdings eine rasante Abfahrt. Nirgendwo konnten wir eine derartige Schussfahrt hinlegen wie hier. Keine Kurven, nur eine breite Strasse mit gutem Gefälle und das über Kilometer. Bei 80km/h war mit meinem Rad allerdings Schluss, mit meiner Compactkurbel war da nichts mehr mit Beschleunigen. In Sort angekommen fanden wir ein nettes Hotel mit Pool und Bolzwiese vor, die sogleich vom Team für einen Regenerationskick genutzt wurde. Dieser Tag klang so aus, wie er begonnen hatte, in Ruhe und entspannt.

12.09.2013, Sort - La Seu d'Urgell - Pas de la Casa (Andorra) (109Km, 3054Hm)
Auf diese Etappe war ich sehr neugierig. Sollte es doch durch Andorra auf den höchsten Punkt der Tour gehen. Über den Col del Canto auf den Port d'Envalira mit 2408m.
Um es vorweg zu nehmen, durch Andorra zu fahren war ätzend. Viel Verkehr und eine Stadt, die sich über viele Kilometer vom Tal bis in höhere Rgionen hochzieht. Die landschaftliche Schönheit der vorigen Tage war hier nicht mehr vorhanden. Die insgesamt 3045Hm dieser Etappe habe ich nicht wirklich bemerkt und auf den Zielort Pas de la Casa auf der Rückseite des Port d'Envalira hätte ich auch verzichten können. Zumindest haben wir wieder einen netten Abend im Restaurant verbracht, bevor wir uns in unserem engen Hotelzimmer zu sechst die Nacht um die Ohren geschlagen haben.
Diese Etappe würde ich niemals wieder fahren! Statt dessen würde ich Andorra links liegen lassen und mich ab La Seu d'Urgell mehr südlich auf spanischem Gebiet halten und evtl auch eher die Gegend um Girona als Zielort wählen!

13.09.2013, Pas de la Casa - Ur - Ille sur Tet - Thuir - Saint-Cyprien-Plage (Frankreich) (167Km, 1157Hm)
Die letzte Etappe stand an. Im Vorfeld fragte ich mich schon, wie wir die wohl überstehen. 167Km waren ja noch mal eine Hausnummer. Schaut man sich aber das Streckenprofil an wird einem schnell klar, dass dies eine Tempoetappe ist. Nach dem Col de Pymorens ging es 100Km nahezu nur bergab. Hier haben wir aber auch unseren Schutzengel in Anspruch genommen. Nach der sehr schnellen Abfahrt vom Pymorens fuhr das Führungsduo auf einen Parkplatz. Kaum abgestiegen platzte an einem Rad der Vorderreifen. Wäre dies bei der Abfahrt passiert.....
Auf dieser Etappe gab es dann auch die zweite und damit letzte Reifenpanne der Tour. Meinen schleichenden Plattfuss am Vorderrad kompensierte ich mit 2x Pumpen unterwegs.
Weniger schön war ein Stück Nationalstrasse, welches wir fahren mussten, wobei man aber auch hier sagen muss, dass die französischen Autofahrer meist rücksichtsvoll waren.
Und dann kam der Moment, auf den wir sechs Tage hingefahren sind, die Ankunft in Saint Cyprien Plage am Badestrand. Bilderbuchwetter und Badetemperaturen hätten nicht besser für so einen Tag sein können, einfach traumhaft! Im Strandcafe habe ich mir dann mein erstes Bier seit Wochen gegönnt, und auch noch ein zweites und drittes. War einfach lecker.....und verdient.
Wie immer klang auch dieser letzte Abend in einem kleinen Restaurant am Strand aus. Stoff für Unterhaltungen hatten wir ja genug.
14.09.2013, Rückreise
Wie üblich bei so einer Tour ist die Rückfahrt nach Hause der uninteressanteste Teil. Alles geschafft, viel Spass gehabt, dann macht es gar keinen Spass in der Nacht auf Grund einer Vollsperrung mehrere Stunden hinter Lyon auf der Autobahn zu stehen. Letztendlich sind wir am nächsten Morgen gesund und müde zu Hause angekommen.

Mein Fazit
Diese Tour war ein tolles Erlebnis, hat vielfältige Eindrücke hinterlassen, aber auch den Wunsch nochmal in die Pyrenäen zu fahren und noch die Pässe zu fahren, die wir leider links liegen lassen mussten. Es gibt wirklich noch viel zu sehen und zu erleben.
Der Zeitraum war durch die Organisatoren gut gewählt: Unmittelbar nach den französischen Schulferien. Dadurch hielt sich der Urlaubs- und Touristenverkehr in engen Grenzen. Gerade auf den bekannten Tour de France Anstiegen waren immer mehr Radfahrer als Autotouristen anzutreffen.
Die Unterkünfte (max 3 Sterne) waren durchgehend ok. Lediglich in Luz-Saint-Sauveur war es ein Manko, dass es im Hotel kein Frühstück gab. Etwas, worauf ich in Zukunft immer achten würde. Die Hotels in  Luz-Saint-Sauveur und Pas de la Casa sind allerdings auf Ski-Touristen ausgerichtet. Wer hier ein wenig Ambiente oder Luxus erwartet ist bei max. 3* falsch.
Die Strassenqualität war druchgehend gut. Lediglich 2 Plattfüsse nach 700Km bei 12 Fahrern ist wirklich nicht viel. Verpflegungsmöglichkeiten gibt es in allen kleinen Ortschaften. Zumindest einen Bäcker findet man immer.
Genau so findet man zu dieser Zeit problemlos eine Übernachtungsmöglichkeit. Unsere Tourplanung war auf feste Etappenorte ausgerichtet. Das nächste Mal würde ich sie nicht vorher buchen sondern mir Alternativen offen halten, je nach Wetterlage näher oder weiter als ursprünglich geplant. Allerdings spielt hier natürlich die Gruppenstärke eine Rolle. Zwei bis vier Fahrer finden eher etwas als eine 14-köpfige Truppe.
Auffällig in Frankreich aber auch Spanien die Rücksichtnahme der Autofahrer auf uns Radfahrer. So habe ich das in Deutscland bisher nur in Einzelfällen erlebt. Da macht das Radfahren erst so richtig Spass!
Ich kann jedenfalls nur jedem empfehlen die Pyrenäen auf der todo Liste weit nach oben zu setzen. Die Pyrenäen sind nicht so hoch wie die Alpen, ich fand sie aber landschaftlich schöner! Klar, ist Geschmackssache, wie so vieles.
Das
Video zur Tour ist auf meinem Youtube-Kanal zu finden. Viel Spass beim Ansehen.

Danke für's Lesen!

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